Pauli liest: Die Kuh. Eine Hommage

Buchcover: Werner Lampert: Die Kuh – Eine Hommage. TeNeues, 2019

Buchcover: Die Kuh. Eine Hommage. 

Foto: © Werner Lampert GmbH, Photo Ramona Waldner (unbezahlte Werbung)

„Wer sind die Glücksbringer unter den Tieren? Richtig, wir Hunde natürlich!

Aber, auch wenn ich es ungern zugebe: Ältere Ansprüche auf den Titel haben eigentlich die Rinder. Das Buch „Die Kuh – eine Hommage“ setzt der Hörner tragenden Konkurrenz nun ein längst überfälliges Denkmal.“

Glückshund Pauli
Glückshund Pauli liest

„Die menschliche Entwicklungsgeschichte ist ohne die Partnerschaft mit unseren Gefährten gar nicht darstellbar.“

Als die Menschen vor über 10.000 Jahren sesshaft wurden, standen die Rinder bereits treu an ihrer Seite. Sie pflügten, zogen und stellten ihre ganze Kraft in den Dienst ihrer Halter, als diese im Vorderen Orient die ersten Städte gründeten. Im wahrsten Sinne mit Leib und Leben unterstützten sie Völkerwanderungen und waghalsige Eroberungszüge – beim Aufbruch in bislang unbekannte Klimazonen waren die genügsamen Wiederkäuer wohl oder übel dabei.

Spuren einer schicksalhaften Beziehung

Seit Urzeiten ist das Schicksal von Mensch und Rind miteinander verwoben – zahllose Überlieferungen zeugen davon. In allen Religionen spielen Rinder eine Rolle, in der Bibel findet sich nicht umsonst das Bild vom guten Hirten und seiner Herde. „Die menschliche Entwicklungsgeschichte ist ohne die Partnerschaft mit unseren Gefährten gar nicht darstellbar“, bilanziert Werner Lampert in seinem opulenten Bildband „Die Kuh. Eine Hommage“. Zusammen mit einem Fotografenteam machte er sich auf den Weg, um die Rinderrassen rund um die Welt zu zeigen als das, was sie jenseits der Massentierhaltung bis heute sind: Wahre Anpassungskünstler, die unter widrigsten Bedingungen zu unglaublichen Leistungen fähig sind.

© Werner Lampert GmbH, Photo Ramona Waldner

Sacha Ynaga, Jakutien, Russland © Werner Lampert GmbH, Photo Ramona Waldner

In unserer Zeit jedoch scheint das jahrtausendealte Band zwischen Rind und Mensch gerissen zu sein. Wie sonst könnte es sein, dass die verdienstvollen Wiederkäuer „verdinglicht“ und zu Produktionsgegenständen degradiert wurden? Wie könnte es opportun sein, den vormals stolzen Tieren bereits im Kalbesalter die Hornansätze auf schmerzhafte Weise auszubrennen, um sie besser in Ställe pferchen und sie auf ihre reine Milchleistung reduzieren zu können?

Wo ist der Umgang mit den Tieren geblieben, wie ihn der Autor gemeinsam mit wohl manchem Leser aus seiner Kindheit kennt: „Den Kühen, die ich hütete, erzählte ich mein Leid und meine Sorgen. Ich rieb meinen Kopf an ihrem Leib und suchte ihre Zartheit, ihre Wärme, ihre Zuneigung. (…) War ich bei den Kühen, fühlte ich mich stark und behütet.“

Wer hat´s nicht vergessen? Die Schweizer!

Haben wir das respektvolle Zusammenleben und die Achtsamkeit in Bezug auf die Rinder verlernt und vergessen? 

Nicht in der Schweiz. Und nicht andernorts. Es bringt Glück, so glauben die Bauern im Wallis, ein bis zwei schwarze Pinzgauer in der Herde zu halten. Diese Genmutation gibt weniger Milch als die herkömmlich braune Rinderrasse. Genauso stark und widerstandsfähig wie ihre Verwandten sind sie trotzdem, und überdies den Bauern seit jeher eine große Freude.

Ihre Kollegen im fernen Indien setzen ebenfalls auf den wohltuenden Kontakt mit ihren Tieren: Wer einmal am Tag die Stirn eines Girs berührt, wird nicht krank – so besagt es die Legende. Bereits in den heiligen Schriften des Hindusimus wird diese verdienstvolle Rinderrasse beschrieben. Denn ihr großzügiger Milchfluss versiegt nie, egal welcher Trockenheit und Hitze sie auch ausgesetzt sind.

Die größten und beeindruckendsten Hörner von allen Rindern besitzen die Ankole in Uganda. „Sie sind Mitglieder der Familie; sie sind wie meine Schwestern und Brüder“, berichtet ein Züchter. Als solche werden sie selbstredend nicht verkauft.

 

Die majestätischen Tiere versinnbildlichen die soziale Stellung ihrer Halter. Wer keine besitzt, braucht mit einer Einladung zu Festen und Versammlungen nicht zu rechnen.

Rückbesinnung angesichts des Klimawandels

„Freude und Glück ertragen wir schwer, wir brauchen einen Nutzen“, behauptet Lampert in seinem 480 Seiten und 230 wunderschöne Fotografien umfassenden Kompendium zum Thema Rind.

Doch gerade unter diesem Blickwinkel mag es als nicht sehr schlau und vorausschauend erscheinen, dem Rind seine natürlichen Instinkte und Eigenschaften abzutrainieren. Denn ob in den Alpen, in der glühenden Hitze Afrikas oder in der eisigen Kälte Sibiriens – immer sind es die alten Rassen, die perfekt an die jeweiligen geographischen Gegebenheiten und das herausfordernder werdende lokale Klima angepasst sind.

„Die Rinder werden für unser Überleben von außerordentlicher Wichtigkeit sein, wenn sich der Klimawandel so entwickelt wie befürchtet.“

Denn: „Unsere Hochleistungskühe werden dann nur noch in temperierten Ställen überleben können“, gibt Werner Lampert zu bedenken. Und so werden unter Umständen ein weiteres Mal die ursprünglichen Rinderrassen zur Hilfe gerufen werden, wenn es darum geht, vom Menschen geschaffene Probleme zu lösen und seine Ernährung sicherzustellen.

© Werner Lampert GmbH, Photo Ramona Waldner

Eringer, Wallis, Schweiz © Werner Lampert GmbH, Photo Ramona Waldner

Der Österreichische Bio-Unternehmer und Nachhaltigkeitsexperte Lampert präsentiert in seinem Buch eine Fülle an Fakten über die phänomenalen Paarhufer – neun beeindruckende Beispiele:

 

  • „Der Magen der Kuh und das Chlorophyll der Pflanze sind die Krone der Schöpfung“, findet Werner Lampert. Kühe fressen etwas, von dem die Menschen keinen Gebrauch machen: Rohfaserreiche Pflanzen. Mithilfe ihres genialen vierteiligen Magens produzieren sie daraus hochwertige Lebensmittel für den Menschen.
  • „Als Schätze der Menschheit“ bezeichnet der Autor die Rinder nicht umsonst. Denn zahlreiche Rassen haben sich an extremste klimatische Bedingungen angepasst. In den weißen Birkenwäldern Norwegens leben die Sidet Trønderfe. Den sanften, schönen Tieren mit ihrem braun oder rot gepunkteten Fell ist nicht anzusehen, dass sie es im Winter mit -50°C aufnehmen. Die Mongolian Native kommen in den Wüsten- und Steppengebieten ihrer Heimat sogar übers Jahr gesehen mit Temperaturschwankungen von 100° C zurecht – und schaffen es dabei noch, Milch zu geben und ihren Nachwuchs großzuziehen.
  • Die Formen der Hörner der einzelnen Rinderrassen sind so unterschiedlich wie sie selbst. Sie sind mit Nervenbahnen durchzogen, haben im Sozialverhalten der Rinder vielfältige Funktionen und sind wahrscheinlich für ihren Stoffwechsel von Bedeutung. Dennoch wurden bei ca. 90 Prozent der westlichen Kühe die Hörner entfernt.
  • Die größten Hörner unter den Rindern besitzen die afrikanischen Ankole. Bei dieser Rasse dienen sie dem Temperaturausgleich und ermöglichen den Tieren so ein Leben nahe des Äquators.
  • Vor 30 bis 40 Millionen Jahren entwickelten sich die ersten Wiederkäuer. Der Auerochse, der Urahn der heutigen Hausrinder, wurde vor rund 10.500 Jahren domestiziert. Er ist gleichzeitig das erste Tier, dessen Ausrottung durch den Menschen belegt ist. Um 1627 soll das Wildrind von der Bildfläche verschwunden sein.
  • Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Entwicklung des Gehirns der ersten Arten der Gattung „Homo“ ohne das Protein aus dem Fleisch der Oldoway-Rinder nicht möglich gewesen wäre.
  • Das Wort „Kuh“ hat man in 539 Sprachen gezählt.
  • In den Alpen lässt sich die Tradition der Rinderhaltung bis ins 4. Jahrtausend vor Chr. zurückverfolgen.
  • Während die Rinder der Alpen besonders geländegängig sind, haben sich andere aufs Schwimmen verlegt: Die Kouri sind perfekt an die feuchte Umgebung des Tschadsees angepasst und verbringen sehr viel Zeit im Wasser. Auch ihre Hörner sind ungewöhnlich – sie sind dicker als lang und blasen- oder zwiebelförmig.

Werner Lampert: Die Kuh. Eine Hommage. teNeues Media, gebundenes Buch, 480 S., 230 farbige Abbildungen, 49,90 Euro.

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